Mein Kumpel Jens und ich starten an einem Dezembermorgen zu unserer
großen Brasilien-Reise. Hin und Rückflug, ein Inlandsflugpaket und
ein Doppelzimmer im Hotel "Gloria" in Rio de Janeiro sind gebucht.
That's it! Alles weitere wird sich vor Ort ergeben. Abflug in Stuttgart,
Umsteigen in Amsterdam, dann geht es mit KLM über den großen Teich.
Wir sind mächtig aufgeregt, ist es doch unsere erste große Flugreise.
Jens ist so aufgeregt, dass er bis Rio nicht eine einzige seiner
geliebten "West Light" raucht. Der Flug verläuft problemlos und
wir landen in einem etwas heruntergekommenen Flughafen. Aha, dass
soll also Rio sein. Da es nächsten Morgen nach Florianapolis weitergeht,
verbringen wir diese Nacht im Flughafenhotel. Dieses zu finden ist
nicht einfach, auf dem Weltflughafen Rio wollte oder konnte niemand
Englisch sprechen. Dank einer netten Frau von Avis finden wir es
dann doch. Jens trinkt diesen Abend seinen ersten Original Caipihrinia,
ich bin noch etwas vorsichtig. Am morgen geht es für eine Stunde
in die Luft, wir sind fast die einzigen im Flugzeug. Als wir auf
dem kleinen Provinzflughafen landen ist es angenehm warm, da kann
man ruhig die paar Meter zum Empfangsgebäude laufen.
Wir
beschließen unsere Reisekasse zu schonen und fahren mit dem Bus
in die City. Die Leute schauen uns an, ich denke Jens'sens blaue
Augen und die blonden Haare gefallen ihnen. Ein schönes Hotel ist
rasch gefunden, nur die Preise sind gepfeffert. Am Abend lernen
wir in einer Bar den Kellner Alex kennen. Als ich langsam müde werde
und kein weiteres Bier will, sagt er nur, "you are from Germany
and no Bier?" Also gut, überredet! Alex macht uns mit den Einheimischen
bekannt und es folgen einige feucht-fröhliche, lustige, aufregende
und unterhaltsame Tage und Nächte. Vor 7:00 Uhr kommen wir nie ins
Bett und so haben wir auch nur am ersten und am letzten Tag ein
Frühstück. Einer der schönsten Tage ist unser Grillfest.
Wir kaufen im Supermarkt Fleisch, Würste und
Bier und lassen es uns gut gehen. Der Höhepunkt ist unser Fußballspiel.
Brasilien gegen Europa, wir gewinnen dank portugiesischer Verstärkung
5:2.
Nach
ein bisschen Suchen, finden wir ein um fast die Hälfte günstigeres
Hotel, zugegeben nicht so schön, aber zum pennen gut genug. Als
wir im alten Hotel ausziehen wollen geht er mit dem Preis von 76$
auf 60$ runter, aber im anderen zahlen wir nur 35$. Das ist uns
eine Lehre, ab nun wird in jedem Hotel verhandelt, teilweise 50%
können wir sparen. Wie machen einen Ausflug nach Blumenau. Man glaubt
im Schwarzwald zu sein. Jens lässt seine Sonnenbrille reparieren
und wird in einwandfreien Deutsch bedient. Langsam gewöhnen wir
uns dran, dass mehr Deutsch als Englisch gesprochen wird. Auf unserem
Bootsausflug zu
einer ehemaligen Festungsinsel, mit anschließendem vom Boot ins
Wasser springen, erleben wir wieder das es peinlich werden kann
wenn man sich ungehemmt unterhält. Nachdem wir die anwesenden Mädels
gemustert hatten, wollen wir ein Foto von uns schießen. Nach einem
freundlichen Helfer umblickend bot plötzlich eine Frau in perfektem
Deutsch ihre Hilfe an. Eine Argentinierin die unsere Unterhaltung
bestimmt mitbekommen hat. Hoffentlich haben wir keinen schlechten
Eindruck erweckt. Von da an sind wir etwas vorsichtiger mit dem
was wir sagen. Nach
einer langen Verabschiedung brechen wir nach Curiciba auf.
Eine
Großstadt wie überall, nicht schön, eigentlich hässlich. Wir wollen
mit einer Eisenbahn
durch das Küstengebirge fahren. Vorbei an schwindelerregenden Schluchten,
durch enge Tunnel mit einer altersschwachen Bahn.
Wir haben Pech, es regnet
und die Berge sind im Nebel. Wir können dieses Naturschauspiel nur
erahnen. Als
Belohnung gönnen wir uns in einem Dorf ein Billardspiel. In einer
Garage, mit einem von einem 13 jährigen Buben gereichten Bier, quälen
wir das Tuch. Am nächsten Tag
geht es per Überlandbus zu den Wasserfällen nach Iquazu. Die 12
Stunden sind sehr anstrengend, geben uns aber die Möglichkeit etwas
mehr vom Land zu sehen. Am Straßenrand armselige Hütten, d.h. mit
Folienfetzen abgedeckte Äste und Latten, in denen noch armseligere
Frauen warme Speisen anbieten.
Am
Abend landen wir in Iquazu und nehmen wie immer das erst beste Hotel.
Es ist recht günstig und zum Glück funktioniert die Klimaanlage.
Nachts nach 21:00 Uhr zeigt das Thermometer immer noch 37°C, tagsüber
steigt die Temperatur bis auf 45°C. Da sind die Wasserfälle genau
die richtige Abkühlung. Im Dreiländereck Argentinien, Brasilien
und Uruguay gelegen, nehmen die Wasserfälle eine größere Fläche
ein als die berühmten Niagarafälle. Hier gibt es auch überall die
sehr zahmen Nasenbären, sie lassen alles mit sich machen so lange
sie gefüttert werden. Abends gehen wir ganz lecker Essen, Grillspezialitäten
bekommt man in den Churascarias. Und lecker Bier gibt es ebenfalls,
lecker Mädchen auch. Wir flirten häufig, aber manche zeigen ihr
Ansinnen zu offensichtlich. Aha, Holzauge sei wachsam. Wir baden
oft im Dachpool, alleine, sehr schön - Ruhe!
Nach
3 Tagen geht es mit dem Flieger nach Belem. Ein Ort im Amazonasdelta
empfängt uns mitten in der Nacht. Es ist gegen 3:00 Uhr und am Ausgang
ist ein Infoschalter geöffnet. Leider spricht die Gute nur portugiesisch,
dass gestaltet die Hotelsuche nicht einfacher. Wir wollen für 5
- 6 Stunden Schlaf keine 70$ zahlen und nehmen deshalb ein 25$ Zimmer.
Ein verschlafener Nachtportier empfängt uns, es dauert 25 Minuten
bis er die 5 Zeilen ausgefüllt hat. Unsere Hilfe lehnt er entschieden
ab, immer schön ruhig bleiben - auch wenn's schwer fällt.
Das Zimmer enthält eine Liege deren Bettwäsche
seit 4 Wochen nicht mehr gewechselt wurde, einen Tisch und einen
Stuhl. Die Dusche ist ein aus der Wand ragendes Rohr. Apropos Dusche,
was wir da an abenteuerlichen Konstruktionen sehen, lässt uns oft
die Haare zu Berge stehen. Teilweise blanke
Drähte
verlaufen nur wenige Zentimeter vom Wasserrohr entfernt. Wie ziehen
es vor kalt zu duschen und ziehen den Stecker.
Heute
nun soll unser großes Abenteuer starten. Eine 5-tägige Fahrt auf
dem Amazonas in die nordwestlich im Regenwald gelegene Stadt Manaus
liegt vor uns. Wie der Reiseführer beschreibt, verkauft eine Agentur
die Tickets. Leider stimmt die Adresse nicht mehr, aber ein älterer
Mann ist sehr hilfsbereit. Da alle Kabinen belegt sind, heißt es
auf dem Deck schlafen. Zum Glück kam mir die Frage nach der Hängematte
in den Sinn. Nein die gibt es nicht an Bord! Also auf zum Markt
und 2 von den Dingern besorgen, wir kaufen gleich noch Lebensmittel
für eine ganze Kompanie, angeblich gibt es kein Essen an Bord. Es
ist noch Zeit für ein letztes Essen auf dem Festland, wir laden
den älteren Mann ein. Er verschafft
uns auch 2 vernünftige Plätze für die Hängematten. 2 x 5$ helfen
wahre Wunder. Auf dem Kahn, einem doppelstöckigen Holzkahn sind
nur Bauern. Das ist nicht abwertend gemeint, es ist einfach so.
Der blonde Jens erregt wieder ziemliche Aufmerksamkeit. Als
wir unsere Hängematten aufhängen und unser Gepäck notdürftig verstauen,
umringen uns neugierige Kinder und Jugendliche. Es dauert nicht
lange bis das Eis bricht, ein paar Zigaretten für die Großen und
Kaugummi für die Kleinen, es ist wie überall auf der Welt. Gegen
18:00 Uhr sticht unser Kahn in See, d.h. in den Fluss, der bis zu
5 Km breit ist.
Es
gibt doch Essen an Bord und auch Bier. Die Dose 2$, aber was soll's.
Die eine oder andere Dose geht an unsere Brasilianischen Freunde,
aber so, dass die Jungs merken das wir nicht im Geld schwimmen.
Wir verstehen uns prima, manchmal ohne Worte, manchmal mit Händen
und Füßen und Jens ist der Meister des Wörterbuches. Das Essen wird
von einem Universalgenie zubereitet. Dieser Mann ist Koch, Heizer,
Putzfrau, Mechaniker und wer weiß was noch alles in einer Person
und dementsprechend sieht er aus. Er kocht sehr abwechslungsreich,
Hühnerfleisch mit Bohnen und Reis - in allen Variationen. Trotzdem
schmeckt es ganz gut, genau wie der Kaffee den er zum Frühstück
kocht. Zuhause hätte ich mich geweigert etwas zu essen, dass von
jemanden zubereitet wurde, der so schmutzig ist. Aber man wird gelassen.
Mein Gameboy macht den ganze Tag die Runde, nur am vorletzten Abend
taucht er nicht mehr auf, einen unehrlichen gibt es halt überall.
Wir freunden uns mit Fernando an. Eines Abends will er meinen Diskman,
er hätte eine Mininha, eine kleine Freundin und er braucht etwas
zum kuscheln. Am nächsten Morgen bringt er ihn freudestrahlend zurück
und zeigt mit dem Daumen nach oben. Eine echte Herausforderung war
der Genuss eines von Amazonas Indianern hergestellten Likörs. Mit
kleinen Booten paddeln die Indios längsseits der größeren Schiffe
und versuchen selbst produzierte Dinge zu verkaufen. In unserem
Falle mit Erfolg. Mit etwas Zucker schmeckt die pinkfarbene Flüssigkeit
nicht mal schlecht, aber wir wissen bis heute nicht was wir an jenem
Tag getrunken haben. Ganz ehrlich, ich will es auch nicht wissen,
nachdem ich Berichte gesehen habe, in denen Amazonas-Indianer ihre
Alkoholischen Getränke mit Speichel vergären.
Nach
2 Tage legen wir in irgendeinem verlassen Nest an und die Besatzung
beginnt mit der Entladung eines großen Motors. Da das etwas länger
dauern wird, gehen wir an Land um ein frisch gezapftes zu trinken.
Leider gibt es nur Flaschenbier welches aber in Plastetüten umgefüllt
wird. Bei 1,50$ Flaschenpfand gibt man die Dinger eben nicht aus
der Hand.
So ein Bierchen (0,66 L) kann berauschend sein, durch einen Strohhalm
genossen erst recht. Mit von unseren Freuden gereichtem Rum wird
es ein sehr lustiger Nachmittag. Am Morgen des folgenden Tages erreichen
wir unseren Umsteigehafen. Wir beziehen unser neues Schiff, ein
modernes Stahlschiff mit Oberdeck und Satelliten-TV. Nachdem die
Matten hängen brechen wir auf, am Strand soll es gemütliche Bistros
geben. Na ja, ein paar Tische und eine kleine Bude, aber frischen
Fisch gibt es. Wir trinken einige Bier und lassen uns einen ca.
50 cm langen Fisch und Reis schmecken. Wir gehen noch in einen Markt
und kaufen Barcadi-Rum. Die 1 Liter Flasche kostet 9 DM.
Auf dem Rückweg pflücken wir noch ein paar
Papayas, aber die sind leider noch nicht reif. Cola zum mixen gibt
es wieder im Plastebeutel, man gewöhnt sich dran. An diesem Abend
feiern wir heftig. Nachdem der Rum gekillt ist trinken wir noch
ein paar Bier, danach machen wir einige Mal den Klinsmann übers
Oberdeck. Zum ersten mal stören die Käfer und Motten nicht. Durch
das Licht an Deck angezogen, wimmelt es von schwarzen Käfern.
Da ich unter einer Lampe schlafe finden sich
am Morgen immer einige von ihnen in meiner Hängematte. Mir geht
es in der Nacht sehr schlecht, am nächsten Tag kann ich nichts Essen
und auch nicht aufstehen. Ich vermute es liegt am Fisch ;-)) Am
nächsten Morgen erreichen wir gegen 5:00 Manaus und checken gleich
im Hotel ein.
Es
folgen 3 ruhigere Tage. Heiligabend sitzen wir am Rio Negro in einem
kleinen Pub und denken an unsere Leute daheim.
Feliz Natal! Wir verabschieden uns von Fernando, er war seit unserem
Betreten des Schiffs ein ständiger Begleiter. Einmal lädt er uns
zum Essen ein, es reicht nur für eine Kleinigkeit und selbst das
Geld muss er sich von seinem Onkel borgen. Es soll auch nur eine
nette Geste sein.
Wir
fliegen nach Rio und sind mächtig gespannt. Zum einen haben wir
von der Stadt noch nichts gesehen, zum anderen sind wir auf das
Hotel gespannt. In Deutschland für 140 DM als ****Hotel gebucht,
die von uns bisher besuchten Hotels in dieser Preisklasse waren
nicht so toll. Aber als wir mit dem Kühlschranktaxi nach ca. 30
Minuten Fahrt das Hotel Gloria erreichen sind wir sprachlos. Riesige
Messingtüren und eine mit antiken Möbeln eingerichtete Lobby, das
hat was. Und sogar 5 Sterne! Unser Zimmer ist ebenfalls Spitze,
ein begehbarer Schrank, Marmorbad, Schreibsekretär und dazu der
Blick auf den Zuckerhut. Wirklich Spitze! Vor Ort hätte das Zimmer
240$ gekostet. Schwein gehabt! Nachdem wir Weihnachten in Manaus
verbrachten, feiern wir Silvester nun in Rio. An der Copa Cabana
werden Lichttürme aufgebaut und wir bekommen den Tipp weiße Kleidung
zu tragen. Am 31.12. verlassen wir gegen 18:00 Uhr das Hotel und
suchen uns einen schönen Platz in einem Lokal an der Copa Cabana.
21:00 Uhr stoßen wir an, in Deutschland ist es 24:00 Uhr. Gegen
Zehn trinke ich mein letztes Bier, ich möchte den Jahreswechsel
bei klarem Verstand erleben. Außerdem bin ich mit einem netten Mädel
verabredet und sie führt mich zu ihrer Familie. Wir essen zusammen,
später will sich ihr Onkel mit mir unterhalten. Er ist bei VW in
leitender Position angestellt, trotzdem reicht sein Verdienst gerade
so. Ich versehe ihn sehr schlecht und bin froh als wir endlich zum
Strand aufbrechen.
Natürlich
ist Jens nicht mehr da, er dachte ich bin nur 10 Minuten weg und
hat sich verkrümelt. So verbringe ich mit einer brasilianischen
Familie inmitten lauter weiß gekleideter Brasilianer den Jahreswechsel.
Die ganze Copa Cabana ist hell erleuchtet und alle sind fröhlich.
Punkt 0:00 Uhr starten der Reihe nach die Feuerwerke und tausende
Sektflaschen werden geköpft. Die Hotels mit ihren Feuerwerke überbieten
sich gegenseitig und bieten einen gigantischen Anblick. Später gehen
wir in die Disco "Help", inzwischen unsere 2. Heimat. Ich trinke
die ganze Nacht keinen Tropfen Alkohol und bin so am Morgen stocknüchtern.
Ich erlebe einen wunderschönen Sonnenaufgang und genieße das Frühstück.
Irgendwann taucht Jens auf und ist furchtbar sauer auf mich. Er
denkt ich bin einfach abgehauen. Ich kläre ihn auf und wir schlafen
uns aus. Die folgenden Tage fahren wir auch mal an die anderen Strände,
genießen unsere Leben und werden schön braun. Wir gehen eigentlich
jeden Tag baden, genießen das Nachtleben und geben jede Menge Geld
für die zahlreichen Taxifahrten aus. Natürlich besuchen wir alle
touristischen Ziele, Zuckerhut und Corcovado, sehen aus der Ferne
das Maracana-Stadion und noch einige andere Sehenswürdigkeiten.
Auch fast 6 Wochen sind irgendwann vorüber, wir verabschieden uns
schweren Herzen von einer aufregenden Stadt, einem riesigen und
schönen Land.
Es
war wunderschön, spannend, aufregend und der schönste
Urlaub meines Lebens. Ich werde so etwas vermutlich nie wieder erleben,
aber ich habe es auf "meine Festplatte" gebrannt. Wenn
ich mal träumen will schließe ich einfach die Augen.
Oder aber, ich lese mir einfach diese Zeilen durch.
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